Bereue ich irgendwann, keine Kinder zu haben?

Die Gretchenfrage der Kinderfreien: Werde ich es eines Tages bereuen, keine Kinder auf die Welt gesetzt zu haben? Wer weiss. Die Zukunft ist ungewiss – wer kann sagen, wer ich in 20 Jahren bin, wo ich stehe im Leben? 

Der Duden definiert Reue folgendermassen: «Tiefes Bedauern über etwas, was nachträglich als Unrecht, als [moralisch] falsch empfunden wird». Diese Aussage suggeriert, dass die Entscheidung im Moment, in dem sie getroffen wurde, nicht unbedingt falsch war. Sie wird nur im Nachhinein als falsch empfunden. Meine Entscheidung im Hier und Jetzt, keine Kinder zu wollen, ist also «richtig». Kann es sein, dass ich sie in 20 Jahren in Retrospektive als «falsch» empfinde? Ja, natürlich. 

Entscheidungen über Entscheidungen

Der Mensch trifft täglich tausende Entscheidungen, bewusst und unbewusst. Von der Entscheidung, welche Hose ich heute anziehe, was ich zu Mittag esse, bis zur Zu- oder Absage eines Jobs und der Entscheidung für oder gegen Kinder. Welche dieser Entscheidungen in Zukunft richtig oder falsch waren, zeigt sich erst – ihr ahnt es – in der Zukunft. Reisst besagte Hose im Laufe des Tages, werde ich es bereuen, explizit diese Hose gewählt zu haben. Vielleicht wusste ich schon, dass sie tendenziell eng sitzt und habe mich aber trotzdem für sie entschieden, weil sie gut sass und ich mich gerade gut fühlte in ihr. War es also falsch, dass ich mich für die Hose entschieden habe? Nein, es stimmte im Moment und ich konnte nicht wissen, dass sie reisst.

Klar, eine Hose mit einem Kind zu vergleichen ist etwas plump. Aber das Prinzip ist dasselbe. Ich glaube, wir alle bereuen etwas im Leben. Klar wäre es schön, würden wir uns immerzu richtig entschieden. Aber das ist doch eher unrealistisch. Ich habe beispielsweise jahrelang bereut, dass ich mich damals in der Sekundarschule nicht schneller und besser für eine Ausbildung entschieden habe. Denn mein Werdegang hätte viel geradliniger verlaufen können und ich wäre vermeintlich schneller am Ziel gewesen. Aber – was ist schon «das Ziel»? Ich bezweifle, dass ich jetzt schon angekommen bin. Wer weiss, was das Leben noch bringt – und wie ich mich verändere. Und hätte ich meinen Weg nicht so gewählt, hätte ich viel verpasst. Ich hätte viele Menschen, die mir wichtig sind, wohl nie kennengelernt. Hätte, hätte, hätte … 

So ist es auch bei der Kinderfrage. Ich weiss nicht, ob ich es irgendwann bereue, keine Kinder gehabt zu haben. Aber jetzt möchte ich keine.

Soll ich jetzt entgegen meines Bauchgefühls und meiner Vernunft Mutter werden, nur damit ich es später nicht eventuell bereue? Und was garantiert mir, dass ich dann diese Entscheidung nicht bereue?

Regretting Motherhood

Denn, man hört es nicht gerne, aber es gibt Mütter (und bestimmt auch Väter), die es bereuen, Kinder bekommen zu haben. In einer 2015 veröffentlichten Studie der israelischen Soziologin Orna Donath mit dem Titel «Regretting Motherhood», wurden Frauen befragt, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Die Studie hat unter dem Hashtag #regrettingmotherhood eine sehr emotionale Debatte ausgelöst.

Andere Studien bestätigen, dass Kinder nicht unbedingt glücklich machen. Gerade in den ersten Jahren seien Kinderfreie zufriedener als Eltern.

In der Schulzeit gäbe es ein kurzes Hoch, das zur Pubertät hin abflacht. Erst wenn die Kinder ausziehen, seien Eltern tendenziell glücklicher als Nichteltern (Campbell & Twenge, Parenthood and Marital Satisfaction: A Meta-Analytic Review. Journal of Marriage and Family, 2003).

Die Annahme, dass Kinder automatisch glücklich machen, ist also falsch. Ja, Kinder können glücklich machen, davon bin ich überzeugt. Aber wie schon im Artikel «Du wärst so eine gute Mutter» beschrieben; nicht alle wollen dasselbe vom Leben, nicht alle haben die gleiche Auffassung von Glück oder Liebe…

Leben im Jetzt

Kann also Reue nicht verhindert werden? Komplett wohl nicht, aber vielleicht teilweise. Und zwar indem wir uns bewusst machen, dass wir im Hier und Jetzt leben und bei Entscheidungen auf unser Herz hören. So dass wir in Zukunft sagen können: «Damals hat es für mich gestimmt, also war es auch die richtige Entscheidung». 

Wie geht ihr mit der Reue-Frage um? Habt ihr auch Angst, in Zukunft etwas zu bereuen? 

 
Nadine

Seit 2019 bewusst kinderfrei und zufrieden mit der Entscheidung.

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Ohne leibliche Kinder, heisst nicht, ohne Kinder zu leben