Befreiungsschlag

Der Moment, indem ich zum ersten Mal laut ausgesprochen habe, dass ich keine Kinder will, fühlte sich an wie ein Befreiungsschlag. Meine Zukunft, die vorher gedrängt und voller unerfüllter Erwartungen war, erschien plötzlich frei und voller Möglichkeiten. Klingt kitschig? Ist aber wahr. Rückblickend ist mir bewusst, dass ich nie Kinder wollte. Sondern, dass der Wunsch immer eine Projektion der Gesellschaft war. Aber im Nachhinein weiss man es ja immer besser. 

Gegen Ende des Gymnasiums, begann ich zum ersten Mal den Druck zu spüren, irgendwann Mutter werden zu müssen. Ich war knapp 20 Jahre alt und hatte meine Erstausbildung im Sack. Was nun? Studieren, dann Arbeiten, aber bitte erfolgreich, habe ja schliesslich studiert. Um die Welt reisen. Mann finden, heiraten, Haus bauen. Dann Kinder kriegen. Mit 30. Jünger geht nicht, habe ja noch so viel zu erledigen. Aber spätestens bis 33. Will ja keine alte Mutter sein. Risikoschwangerschaft ab 35. Drei sind zu viel. Eines zu wenig...

Aber das Leben ist doch nicht vorbei, wenn du Kinder kriegst, du kannst so vieles auch noch nachher machen.

Dieses Argument hörte ich, wenn ich über diesen Druck, den ich verspürte, sprach. Aber ich empfand es so. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles, was ich machen will in meinem Leben, innert 10 Jahren erledigt haben muss. Bevor Kinder kommen. Mit Anfang 20 schien 30 noch so weit weg. Doch wie es so ist mit dem Altern, die Jahre ziehen dahin und zack war sie da, die Drei auf dem Rücken. Was hatte ich erreicht bis dahin? Fast alles auf meiner Liste, mal abgesehen vom Eigenheim. Was fehlt noch immer? Das Gefühl, alles erlebt zu haben und...

...der Kinderwunsch

Ich redete mir ein, dass mein Kinderwunsch kommen würde, sobald in meinem Umfeld Kinder geboren werden. Meine Freundinnen Mutter werden. Das Gegenteil ist eingetroffen. Kein Kinderwunsch erwachte. Kein urmütterlicher Instinkt, der sich regte beim Anblick eines Babys. Keine Traurigkeit, wenn ich Familien mit Kindern begegnete. Es ist nicht so, dass ich Kinder nicht mag. Ich bin aber auch nicht besonders auf sie fixiert. Kann nicht allzu gut mit ihnen umgehen.

Regelmässig sprachen mein Partner und ich über Familienplanung. Das kam primär von mir aus. Wir gaben uns immer wieder Zeit. «Sprechen wir in einem halben Jahr nochmals darüber», sagten wir uns gegenseitig.

Die Beantwortung der Kinderfrage hat viel Entspannung gebracht im Leben von Nadine

Nein, wir wollen kein Kind

Dann eines Tages bei einem Spaziergang, sprachen wir es laut aus: «Wir wollen eigentlich gar keine Kinder». Da war er, der Satz, der mein Leben veränderte. Im ersten Moment musste ich mich an diesen neuen Umstand gewöhnen, traute mich nicht, zu euphorisch zu sein. Ist es das, was mein Herz wirklich will? Werde ich die Entscheidung bereuen? Was bedeutet das nun für meinen weiteren Lebensweg? Doch je mehr ich mich an den Gedanken gewöhnte, kinderfrei zu bleiben, desto zufriedener wurde ich. Der Druck war plötzlich weg. Mir wurde Zeit geschenkt. Zeit, für mich.

Und – es tut gut, dies laut auszusprechen, es der Welt mitzuteilen. Die Entscheidung, kinderfrei zu leben, hat mich befreit. Ich bin überzeugt, dass es viele Frauen und Männer gibt, denen es ähnlich geht wie mir. Das ist meine Hauptmotivation für diese Plattform. Ich möchte niemanden «bekehren» oder davon abbringen, Kinder zu haben. Aber einen sicheren Ort bieten, über die eigenen Wünsche zu sprechen und abzugrenzen von den Erwartungen der Gesellschaft.


Nadine Gloor

*1988, im Zürcher Oberland aufgewachsen, ist Co-Gründerin dieser Plattform kinderfrei-leben.ch. Sie arbeitet in der Kommunikation, hört immer und überall Musik und kocht fürs Leben gerne. Sie ist 2019 bewusst kinderfrei unterwegs - und glücklich dabei.

Nadine

Seit 2019 bewusst kinderfrei und zufrieden mit der Entscheidung.

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Du wärst eine so gute Mutter

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Warum ein Blog für Menschen, die kinderfrei leben?