Rentenkürzung für Kinderfreie?
«Kinderfreie sind egoistisch und Sozialschmarotzer – wer zahlt ihren Rentenbeitrag?» So klingt es v.a. von konservativer Seite. Es wird immer wieder aktiv über Rentenkürzungen für kinderfreie Menschen diskutiert. Ist das die Lösung? Oder sollte vielleicht nicht das Rentensystem an sich neu gedacht werden?
Zuerst; wer garantiert, dass das Kind, das das vorbildliche Paar gezeugt hat, in Zukunft einen Job haben wird in der Schweiz und in die AHV einzahlen wird? Wenn das Kind arbeitslos wird? Auswandert? Erhalten dann die Eltern auch eine Rentenkürzung? Eine Busse? Und dann kommt noch dazu…
Kinderfreie zahlen mehr Steuern
Kinderfreie zahlen tendenziell mehr Steuern als Menschen mit Kindern. Denn sie arbeiten länger in höherem Pensum. Man nehme ein DINK Paar (Double Income No Kids), bei dem beide 80-100% arbeiten bis zur Pension vs. eine traditionelle Familie bei der meist die Mutter im kleinen Teilzeitpensum arbeitet, der Vater mit einem «Bapitag» 80%. Dann zahlt das DINK Paar einiges mehr Steuergelder, die auch für Schulen, Kindergärten, Kindergelder, Spielplätze uvm. verwendet werden. Was auch richtig ist, schliesslich ist das eine Investition in die Zukunft! Das verstehen auch Menschen ohne Kinder, auch wenn sie selber keine wollen.
Kinderfreie zahlen mehr in die AHV ein
Gleichzeitig zahlen Kinderfreie, die wie oben erwähnt tendenziell mehr arbeiten, länger und mehr in die AHV ein mit ihren Lohnabzügen. Gutverdienende zahlen sowieso mehr ein als sie als Maximalrente beziehen können. Sie sparen auch mehr für die 2. und 3. Säule – heisst, sie sorgen aktiv für sich selbst vor.
Apropos Rente… Gehen wir von der oben genannten traditionellen Familie aus. Die Frau hat durch ihre Teilzeitarbeit oder die gänzliche Aufgabe einer bezahlten (!) Arbeit während einigen Jahren, massive Rentenlücken. Diese sind egal, solange sie verheiratet bleibt, bis über die Pension hinaus. Tritt eine Scheidung ein (Wahrscheinlichkeit liegt doch immerhin bei 50%!), hat die Frau ein Riesenproblem. Daher spricht man auch vom Gender Pension Gap.
„Die AHV wurde vor dem Frauenstimmrecht und Excel eingeführt. Die Welt hat sich verändert - Zeit, auch die Rente neu zu denken, statt zu jammern! “
Generationenvertrag überdenken
Das Rentensystem der Schweiz basiert auf dem Generationenvertrag. Die Idee; junge zahlen für alte Menschen und wenn die Jungen dann mal alt sind, zahlen wiederum die Jungen ihre Rente. Das nennt sich Umlageverfahren. Das Problem ist nun, dass dies nicht mehr aufgeht mit der sinkenden Geburtenrate. Es gibt mehr Alte als Junge, die Babyboomer kommen in Rente und es fehlen die Jungen, die ihnen die Rente zahlen können.
Nun kann man jammern und klagen, dass es zu wenig Babies gibt, dass wir Kinderfreien lauter Schmarotzer sind, unsere gesellschaftliche Verantwortung nicht wahrnehmen (was aktuell gemacht wird). Oder man könnte einfach die Fakten annehmen, nämlich, dass sich mehr Menschen gegen Kinder entscheiden. Das als neue Basis nehmen und aktiv nach anderen Lösungen suchen!
Natürlich ist ein Rentensystem eine langfristige Sache, die man nicht alle paar Jahre anpassen kann – aber die Welt hat sich seit der Einführung des heute gültigen Systems doch ganz wenig verändert… Die AHV trat im Jahr 1948 in Kraft, 1987 wurde das heutige 3-Säulen-System vervollständigt. Führen wir uns mal vor Augen; 1987 wurde Excel eingeführt. 1987 wurde das erste E-Mail von China nach Deutschland geschickt. 1987 ging die Domain apple.com online. Dann gibt es noch weitere Unterschiede; die Lebenserwartung ist z.B. dramatisch gestiegen (in Deutschland von 72/78 Jahren für Männer/Frauen auf 79/83 Jahre), heute gibt es mehr Migration als damals und generell ist die Bevölkerungsanzahl höher! Die Menschen heute sind besser gebildet, die Familienformen sind vielfältiger als damals. Die Antibabypille, die Revolution, welche es Frauen erlaubte, selber zu entscheiden, wurde nach der Einführung der AHV im Jahr 1960 eingeführt. Frauen dürfen in der Schweiz erst seit 1971 mitbestimmen politisch. Die Welt hat sich verändert – nicht nur ein wenig…
Neue Lösungen sind gefragt
Es gibt diverse andere Ansätze zur Finanzierung der Rente. Hier drei Ansätze:
Staats- oder Bürger*innenfonds: Der Staat legt Geld an, z.B. aus Steuereinnahmen oder sonstigen Überschüssen und nutzt diese Gewinne zur Finanzierung der Rente. Norwegen macht das z.B. mit den Gewinnen aus der Ölförderung. Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt – die Nationalbank hat 2024 einen Gewinn von 80 Milliarden Franken verbucht (das Loch in der AHV beträgt jährlich rund 4 Milliarden).
Beschäftigungsquote erhöhen: Wie schon heute in der Schweiz umgesetzt in der 2. Säule, zahlen die Arbeitgeber- und nehmer*innen monatlich einen Betrag in die Pension ein. Dieses System kann ausgebaut werden, indem man die Beschäftigtenquote erhöht – z.B. indem Migrant*innen & Mütter besser integriert werden im Arbeitsmarkt. Ein radikaler Gedanke; statt wenigen Konzernbossen einen monströsen Lohn auszuzahlen, könnten die Mindestlöhne erhöht werden und somit würden die Beiträge ebenfalls steigen – plus die private Vorsorge wäre auch für weniger gut verdienende Menschen möglich, was wiederum den Staat entlastet.
Anpassung Rentenalter: Die Lebenserwartung steigt – warum sollte man am Rentenalter von 65 Jahren festhalten? Klar will niemand länger arbeiten, aber das ist dann auch wieder egoistisch… Und warum von 100 auf 0? Lieber schrittweise – und so wiederum die Beschäftigungsquote erhöhen (siehe vorheriger Punkt).
Habt ihr weitere Ideen? Die schicken wir dann an den Bundesrat und beenden diese Diskussion 😉
Hört auf Frauen die Schuld zu geben
Akzeptiert, dass früher vielleicht auch einfach so viele Kinder zur Welt kamen, weil es keine Alternative gab, keine Verhütung, weil es zum Leben dazugehörte. Ich bin eine eigenständige Frau, die selber frei entscheiden darf, wofür ich meinen Körper nutze! Ich bin ein Teil der Gesellschaft, trage meinen Part dazu bei (nicht nur finanziell) und habe Anrecht darauf, eine Rente zu erhalten und dass meine Entscheidung akzeptiert wird. PUNKT.
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