Antinatalisten vs. Pronatalisten
Bei der Diskussion rund um die sinkende Geburtenrate ist immer mal wieder die Rede von Anti- und Pronatalisten. Doch was sind eigentlich genau deren Überzeugungen? Und was ist das Problem an diesen zwei Strömungen?
Was sind Antinatalisten?
Menschen, die sich als Antinatalisten bezeichnen, möchten keine Kinder in die Welt setzen. Und zwar entweder aus pragmatischen Gründen - weil mehr Menschen dem Planeten schaden, die Ressourcen fehlen, die Zukunft unsicher ist (Krieg, Klimakrise etc.). Oder aus philosophischen Gründen - sie sind überzeugt, dass Leben Leid ist und möchten das keinem Kind antun.
Grundsätzlich kann zusammengefasst werden; Antinatalisten denken, dass es besser ist, keine Kinder zu bekommen und zwar für das Kind selber und für die (Um-)Welt.
Was sind Pronatalisten?
Pronatalisten sind ziemlich das Gegenteil von Antinatalisten. Sie sind der Überzeugung, dass Kinderkriegen ein zentraler Teil des Lebens ist und möchten es aktiv fördern. Sie sehen im Rückgang der Geburtenrate eine Bedrohung für die Zivilisation, die traditionelle Familie und die Kultur.
Mutterschaft wird von vielen Pronatalisten romantisiert und konservative Rollenbilder zementiert (siehe Tradwifes). Auch die Kirche ist klar pronatalistisch, wie das folgende Bibelzitat zeigt. Die Katholische Kirche lehnt Abtreibung sowie die meisten Verhütungsmethoden auch heutzutage noch ab.
„Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan...“
Menschen, die sich als pronatalistisch bezeichnen, möchten also Kinder - und am besten gleich viele davon! Und alle anderen sollen auch mitmachen, denn das ist die gesellschaftliche Verantwortung eines jeden.
Problematik
Beide Strömungen sind, wenn extrem ausgelegt, problematisch. Nehmen wir an, alle wären antinatalistisch unterwegs - ja, dann gäbe es uns bald nicht mehr. Das ist einfach ein Fakt. Profitieren würde die Natur ;-) Und Antinatalisten haben oft eine recht pessismistische und lebensfeindliche Ansicht - doch das Leben hat auch sehr viele schöne Seiten, trotz all der schlimmen Sachen, die passieren auf der Welt. Das ist zumindest meine Meinung.
Extreme Pronatalisten lösen aktiv Druck aus auf die Gesellschaft - Kinder zu bekommen, ist eine gesellschaftliche Pflicht. Diese Rhetorik kennt man aus der Nazizeit - damals wurden Verdienstkreuze verteilt an Frauen, die möglichst viele Deutsche Kinder auf die Welt brachten. Deutsche Kinder fürs Deutsche Volk - aber vor allem auch neue Soldaten für an die Front. Voraussetzung für das Mutterkreuz; die Kinder mussten Deutsch sein und die Mutter “erbgesund”, sittlich und anständig (Quelle: wikipedia.org). Ab vier Kindern kriegte man das bronzene, ab 6 das silberne und ab 8 Kindern das goldene Abzeichen. Damit will ich nicht sagen, dass alle Pronatalisten Nazis sind - aber je nachdem wem man zuhört, sind die Parallelen erschreckend.
Wer “gewinnt”?
Aktuell sind klar die Pronatalisten auf dem Vormarsch weltweit. Besonders häufig in den Medien sind die radikalen Pronatalisten aus den USA - Leute wie Elon Musk, JD Vance oder die Silicon Valley Posterfamilie Collins (zum Artikel im Tagesanzeiger). Aber pronatalistische Strömungen gibt es in den meisten Ländern - z.B. in Form von steuerlichen Vergünstigungen für Familien, Kindergeld, Elternzeit oder Mutterschaftsurlaub… All diese Anreizsysteme sind pronatalistisch geprägt - sowie auch die Verbote. Künstliche Empfängismöglichkeiten werden weltweit liberalisiert, teils sogar von Krankenkassen finanziert, Abtreibungen hingegen werden in immer mehr Ländern eingeschränkt oder gar verboten.
Antinatalisten sind eher eine philosophische Gruppierung, ein Nischenphänomen. Ja, trotz der sinkenden Geburtenrate - denn wer kein Kind will, ist nicht automatisch ein Antinatalist, genauso wenig wie alle Eltern Pronatalisten sind. Das sind zwei Ansichten an verschiedenen Polen mit teils extremen Auslegungen.
Übrigens; auch wenn mir das oft unterstellt wird; ich bezeichne mich nicht als Antinatalistin! Ich habe mich primär aus intrinsischer Motivation gegen Kinder entschieden - weil ich einfach keine will (zu meiner Geschichte). Dennoch kann ich einige ihrer Argumente durchaus nachvollziehen und verstehen.
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Was denkt ihr dazu? Würdet ihr euch als Antinatalisten bezeichnen?