Kinderfrei in einer Patchwork-Familie

Die Geschichte von Melanie

«Ich bin ziemlich sicher, dass ich keine Kinder möchte.» So ähnlich antworte ich seit einigen Jahren auf die Frage, ob ich einmal Kinder möchte. Jetzt bin ich 31 und die Frage ist berechtigt – findet die Gesellschaft. Meine Unsicherheit und auch das leichte Unbehagen in der Antwort sind ebenso berechtigt – finde ich.

Im Gegensatz zu einigen meiner Freundinnen hatte ich nie diesen starken Kinderwunsch. In jüngeren Jahren stellte ich mir allerdings schon vor, einmal Mami zu sein. Dies schien einfach der Weg des Lebens einer Frau zu sein. Das erste Mal so richtig auseinandergesetzt mit dem Thema habe ich mich durch meinen jetzigen Freund. 

Als ich mich vor 5 Jahren in ihn verliebte, wusste ich, dass er nicht allein in mein Leben stösst. Mit ihm kamen zwei wundervolle Töchter. Seit nun zwei Jahren wohnen wir unter einem Dach. Mit einigen Ausnahmen sind die Mädels jedes Wochenende bei uns. Dass dieser drastische Wandel in meinem Leben eine unglaubliche Herausforderung war und immer noch ist, ist kein Geheimnis.

Mit dieser neuen Liebe bekam ich etwas, das viele andere Frauen nicht haben: Einen Einblick in das Leben mit Kids, ohne schon selbst Mami zu sein.

Ein Leben mit Kindern ist bereichernd, witzig und erfüllend. Diese Annahme mag für viele Familien stimmen. In mir löste die intensive Zeit mit Kindern ein Gefühlswirrwarr aus. Ich erfuhr, wie schwierig es ist, schon über das Mittagessen nachzudenken, während du noch das Frühstück verdaust und wie die Zweisamkeit und Intimität mit dem Partner in den Hintergrund rücken muss. Kurz:

Was es heisst, wenn der Tagesrhythmus fremdbestimmt wird.

Das ist nicht das, was ich mir von meinem Leben wünsche. Darüber bin ich zu 99 % sicher. Doch das Thema polarisiert und ich bin nicht komplett immun gegenüber dem Druck der Gesellschaft. So ertappte ich mich in einem Moment des Zweifels dabei, wie ich gegenüber meinem Freund argumentierte, weshalb wir vielleicht doch darüber nachdenken sollten, noch ein gemeinsames Kind zu bekommen.

Meine Gründe? Meine grösste Angst, nicht dazuzugehören.

Wenn alle meine Freundinnen in absehbarer Zeit eine Familie gründen, sich zusammen mit ihren Kleinen auf dem Spielplatz treffen und sich über ihre neuen Interessen – nämlich hauptsächlich alles was Kinder betrifft – unterhalten. Ich werde nicht mitreden können. 

Als ich erkannte, weshalb ich noch mit dem Gedanken spiele, eventuell doch Mami zu werden, sah ich ein, dass dies nicht der richtige Beweggrund dafür ist, eine Familie zu gründen. Die Angst vor der Zukunft ist nicht weg und ich möchte realistisch bleiben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich mich noch durch so einige Gefühlsachterbahnen schicken muss. Nämlich dann, wenn meine liebsten Freundinnen ihre Familien gründen.

Dies wird eine grosse Herausforderung sein und meine Entscheidung immer wieder aufs Neue auf die Probe stellen.

Die Chancen stehen aber gross, dass ich statt Wehmut immer und immer wieder in meiner Entscheidung bestärkt werde. Und mit etwas Glück und Arbeit finden meine Freundinnen und ich bestimmt eine Rolle für mich in ihren neuen Lebensabschnitten. Daran möchte ich festhalten, denn ich bin überzeugt, dass viele Mamis eine kinderfreie Freundin auch als Bereicherung und erfrischende Abwechslung sehen.

Die Ironie an meiner Geschichte ist, dass ich mit meiner Patchwork-Familie bereits jetzt die bin, die aus der Reihe tanzt. Denn es bin ich, die manchmal nicht an ein Abendessen geht, um mit meinem Freund und seinen Töchtern Zeit zu verbringen. Es bin ich, die allein an Feste geht, weil mein Freund zu Hause bei den Kindern bleiben muss. Und es bin ich, die über vorpubertäres Verhalten und erzieherische Herausforderungen spricht. 

Ich bin tatsächlich schon mittendrin in der Achterbahnfahrt – und ich bin glücklich damit. Denn was wäre das Leben ohne ein wenig auf und ab? Ich freue mich auf die Zukunft, denn die beiden Mädels werden immer älter und für meinen Freund und mich wird es immer einfacher.

Zum Zeitpunkt, in welchem meine Freundinnen damit beschäftigt sein werden, den Kleinen hinterher zu springen, werde ich hoffentlich zusammen mit meiner grossen Liebe von Kontinent zu Kontinent springen und das tun, was ich mir von meinem Leben erhoffe und wünsche: selbst den Takt angeben, das Leben nach meinem Gusto gestalten und es mit allen Höhen und Tiefen umarmen.

Melanie

1992 geboren, wuchs als Einzelkind am linken Zürichseeufer auf. Von ihren Eltern hat sie die Leidenschaft fürs Reisen mitbekommen und sie liebt es, die Welt, fremde Kulturen und deren Gastronomie zu entdecken. Melanie arbeitet als Marketing- und Kommunikationsmanagerin in Zürich. Ihre Freizeit gestaltet sie abwechslungsreich – von Yoga- und HIIT-Sessions, Häkeln, und Käffelen mit Freundinnen bis zu Besuchen im Europapark mit der Patchwork-Familie – langweilig wird ihr selten.

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