Eine Win-win-Situation

Die Geschichte von Pauline*

Als Kind wollte ich malen, basteln und an die Werkbank, Theater spielen. Zwischen 25 und 35 ploppten rund um mich die Babys hervor, jährlich Geburtsanzeigen und Weihnachtskarten in Form von glücklichen Familienselfies. Und ich? Was ist mit mir?

Ich hatte nie eine Beziehung, in welcher ich mir Kinder hätte vorstellen können. Und das, obwohl ich phasenweise einen Kinderwunsch verspürte. Eine alternative Frauenpraxis legte mir tatsächlich nah, mir doch einfach ein Kind «machen zu lassen». Im Nachhinein finde ich das sehr bedenklich.  

Ich wollte nie eine Frau sein, die sich ein Kind machen lässt, damit sie eines hat.

Ein bewusster Entscheid dafür oder dagegen fiel ich damals noch nicht. Es folgte eine Zeit der Selbstfindung und Selbstverwirklichung. So um die 40 fiel bei mir dann der Groschen: 

Ich kann auch anderweitig Erfüllung finden.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich in der Gesellschaft zu engagieren, besonders jetzt in Zeiten des Klimawandels!  Und ich kann auch Zeit mit Kindern verbringen. Heute mit 46 schenke ich Zeit meinem Patenkind. Ich springe ein, wenn es einen Betreuungsengpass gibt. Ich freue mich, die Kinder zu begleiten und die Eltern sind froh, dass jemand da ist. Eine Win-win-Situation. Oder wie ein afrikanisches Sprichwort sagt: «Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf». Ich wurde Teil des Dorfes und habe meine wertvollen Aufgaben in der Gesellschaft, die ich wesentlich mitgestalte. Diese Vorstellung ist sehr befreiend.

Besonders herausfordernd finde ich Feiertage und Sonntage, da diese sehr Familien-betont sind. Das ist für mich manchmal schwierig zu planen, weil die Familien oft sich selbst genug zu sein scheinen. Dann erlebe ich auch mal Momente der Trauer, keine Kinder aufzuziehen. Die Angst, allein zu sein im Alter, habe ich kaum. Denn man weiss einfach nicht, wie Beziehungen sich entwickeln – auch jene zu eigenen Kindern.

Die grösste Herausforderung war und ist es, mit den veränderten Lebensumständen innerhalb von Freundschaften umzugehen.

Die Interessen und Gesprächsthemen von meinen Freund*innen, die Kinder haben und meiner Lebenswelt könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Agenden von Eltern sind vollgepackt. 

Ich bin dankbar für jede Freundschaft, die Bestand hat.

Was ich besonders an meinem kinderfreien Leben mag: Ich darf meinen Interessen ungehindert und frei nachgehen. Ich erlebe wenig Stress im Alltag und kann meine Zeit weitgehend selbst bestimmen. Ich habe Stille für mich. Die Verantwortung für mein Leben, und niemanden sonst. Ich kann Zeit und Geld ausgeben für persönliche und berufliche Weiterbildung.

Anderen Menschen mit der Kinderfrage würde ich keine Ratschläge geben, sondern versuchen, ihnen Fragen zu stellen. Fragen, damit die Person die Antworten in sich selbst finden kann. 

Welche Fragen würdest du stellen?


Pauline*

ist 46 Jahre alt, liebt Kunst in ihrer Vielfalt und ist im Sozialbereich tätig. Sie lebt in einer Schweizer Grossstadt.

*Pseudonym

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