Ich werde niemals Vater
Die Geschichte von Axel
Es ist schwierig bei diesem Thema den Anfang zu finden.
“Ich möchte keine Kinder.” Nein, “Ich will keine Kinder”
- oder noch besser gesagt: “Ich werde niemals Vater.”
Als Teenager dachte ich zum Thema Kinder: “Klar werde ich mal eine eigene Familie haben. Ich werde etwa 3-5 Kinder haben, sie werden mich Pappi nennen und auf der Wiese mit mir Fussball spielen.” Damals war ich noch unreflektiert und habe die Pflichten und Lasten davon überhaupt nicht bedacht. Ausserdem habe ich - wie die meisten Jugendlichen - in meiner Unsicherheit Dinge geglaubt, gesagt und/oder getan, um einfach dazuzugehören.
Jetzt bin ich Mitte dreissig, studiert und im technischen Bereich tätig. Um mich herum bekommen gerade “alle” Kinder - oder haben diese bereits. Ich denke seit ein paar Jahren öfters an eine Vasektomie,
habe aber Angst vor den möglichen Schmerzen.
„Du weisst ja gar nicht wie schön das ist!“
Wenn das Thema “Kinder” in Gesprächen aufkommt und ich einen der oben genannten Sätze sage,
werfe ich meist noch ein “Ich habe lieber viel Geld und meine Ruhe” oder mittlerweile vielleicht eher ein “Meine Kindheit war sooo scheisse, dass ich das definitiv nicht will” hinterher, um Sprüchen wie “Du weisst ja gar nicht wie schön das ist”, “Aaach das kommt schon noch...” oder “Du brauchst einfach noch Zeit” zuvorzukommen. Manchmal gibt es Verständnis, manchmal auch nicht.
Work Life Balance
Trotz Allem habe ich es bis hierher geschafft und komme jetzt endlich mit mir und meinem Leben selber ganz gut klar. Mir geht es finanziell prima und ich kann selbstbestimmt leben. Meine Work-Life-Balance ist auch tip-top. Vielleicht arbeite ich noch 8, 12 oder 15 Jahre in meinem jetzigen Job und suche mir dann ein- oder zwei “Hobby-Berufe” aus oder reise nach Südamerika. Ich kann ja machen was ich will, denn ich habe ja keine Kinder :-) Hauptsache ist, dass mein Leben mich erfüllt - wenn ein bisschen Geld dazukommt auch ok. Alles was diese Errungenschaften und Möglichkeiten auch nur geringfügig in Frage stellen könnte, ist für mich ausgeschlossen.
Eine Beziehung wäre mal wieder schön, aber Kinder sind keine Option für mich. Schreiende, kackende, kotzende, teurere, launische Dinger die einem körperlich und psychische Höchstleistung abverlangen. VIELLEICHT werden sie nett oder viel wahrscheinlicher komisch, eigen und bleiben anstrengend.
Das Leben mit Kindern
Zusammengefasst ist für mich das Leben mit Kindern:
Immer aufwendig und körperlich-, psychisch-, und finanziell stark belastend -> man gibt “sein Leben” für die Kinder und ist fast 20 Jahre lang verantwortlich.
Immer ausweglos & ohne zurück -> wenn man einmal Kinder gemacht hat, geht es nicht zurück.
Immer absolut & verpflichtend -> Zeit für Hobbies? Gitarre, Kochen, Angeln, Tanzen, Sport, Sprachen etc.? Eher nicht, du MUSST immer, es sind DEINE Kinder.
Immer mit gestörter, stark verminderter Romantik, Erotik und Zweisamkeit verbunden. -> Spontan essen gehen? Wochenendausflug? Sex auf dem Küchentisch? Toller Urlaub? NEIN!
Immer zwanghaft und voller Erwartungsdruck -> Alle erwarten, dass man die Kinder toll findet, dass alles toll ist und super Leistung und “happy Family”.
Möglicherweise in gewissen wenigen Momenten “schön”.
Kinderphobie?
Ich habe keine “Kinderphobie”, ich will nur keine eigenen haben, also ich kann gerne mit den Kindern von einem Kollegen spielen, so für eine Stunde vielleicht. Das ist schon ok, denn es sind ja nicht meine Kinder. Wenn sie schreien oder schwierig werden, kann ich einfach gehen :-)
Vielleicht konnte man es schon zwischen den Zeilen lesen; Meine Kindheit war nicht schön. Wenn ich Kinder oder Familien mit Kindern nur sehe, erinnert mich das an meine nicht schöne Kindheit. Oder auch an die Freiheit und das schöne, selbstbestimmte Leben, das ich im Kontrast zu meiner nicht schönen Kindheit, jetzt habe.
Keine schöne Kindheit
Als Kind bin ich vom meinen Eltern emotional vernachlässigt worden und hatte sehr starkes ADHS. Da es ADHS aber “noch nicht gab” wurde ich immer nur beschimpft, bemängelt, ausgeschlossen und bestraft.
Mitgefühl, Zeit, Geduld oder Verständis hatte niemand. Auch meine meine Eltern nicht so wirklich. Es wurden die nötigsten Dinge getan damit es halt weitergeht und die Probleme “erstmal wieder weg” sind oder “der Brand gelöscht” ist. Z.B. - ich bin erstmal nicht von der Schule geflogen -
oder - es ist Zuhause wieder leise genug, damit Pappa arbeiten kann…
Durch die emotionale Vernachlässigung und das ADHS, bin ich mehrfach und zum Teil kompliziert traumatisiert. Wodurch ich habe viele Eigenheiten und “Coping-Mechanismen” entwickelt habe. Das ist nicht immer einfach und es ist vollkommen aufwendig genug für mich, wenn ich mich mit mir auseinandersetze und mich besser erkennen und entwickeln kann.
Mittlerweile bin ich ok mit mir selbst.
Ich habe immer noch ADHS.
Ich lebe sozial eher zurückgezogen, aber mache viel Sport.
Kinder sind für mich vollkommen ausgeschlossen.
Danke Axel, dass du deine Gedanken mit uns geteilt hast!
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Axel
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